Aktuelle Radverkehrspolitik in der BVV: Infos und Kommentare zu Themen und Drucksachen der Bezirksverordnetenversammlung im August

Sandwüste mit Hindernissen: Verlängerter Waldburgweg vor Hirschgarten. Könnte hier bald ein auch für Rad- und Rollstuhlfahrer befahrbarer Weg entstehen? cc-by-sa-4.0; Stg-TK des adfc-berlin

Nach der Sommerpause ist in der BVV wieder einiges los – verschiedene Anträge und Berichte des Bezirksamtes zu Radverkehrsthemen sind dazugekommen. Grund genug für eine kleine, kommentierte Auswahl von Benutzungspflicht bis Mellowpark.

Infrastruktur

Den Anfang macht der Antrag der SPD-Fraktion zur wichtigen, viel begangen und befahrenen Verbindung Märchenviertel – S Friedrichshagen nördlich der Gleise: Waldweg zwischen S-Bahnhof Hirschgarten und dem Waldburgweg fahrradfreundlich ertüchtigen. Diesen barrierefrei zu befestigen fordern verschiedene Akteure seit Jahren – neben Anwohnern und der Grünen Fraktion auch die Stadtteilgruppe. Bereits 2018 hatten Bezirksamt und Fraktionen eine umfangreiche Liste mit Mängeln und Vorschlägen zur Fahrradinfrastruktur erhalten, die auch diese Maßnahme enthielt.

Bezeichnend ist dagegen leider die Ablehnung des Antrages der Grünen Fraktion „Tesla-Ansiedlung bei Grünheide (II): Straßenbau vermeiden“ im Ausschuss für Tiefbau- und Ordnungsangelegenheiten. Interessanterweise mit mehr Enthaltungen als Stimmen dafür oder dagegen – hier wurde eine Chance vertan, sich klar für eine Verkehrswende auch im Industriebereich zu positionieren, wie es der VCD Brandenburg getan hat. Offenbar wird in Bezug auf Gewerbeansiedlungen auch in TK immer noch vielfach in Kraftfahrzeugen gedacht, obwohl völlig andere Verkehrskonzepte für den Wirtschafts- und Pendlerverkehr möglich waren und sind. Wohin dies führt, sieht man am BER – wo der Radverkehr schlicht gar nicht vorgesehen war. Generell gilt, dass der Versuch, Staus durch Straßen zu bekämpfen, zum Scheitern verurteilt ist. Oder wie die Verkehrsplaner sagen: ‚Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten.‘

Ergebnis einseitiger Planung, der autogerechte Flughafen BER. Zufahrtsstraße aus Berlin zum Flughafen BER.
Netzwerk fahrradfreundlicher BER, CC BY-SA 4.0

In zwei von drei Ausschüssen abgelehnt wurde auch der Antrag der Grünen Fraktion, eine Fuß- und Radfahrverbindung zwischen Müggelheim und Rahnsdorf zu schaffen. Die prinzipiell gute Idee einer direkten Verbindung durch eine Brücke zwischen Müggelheim und Rahnsdorf ist ebenso alt wie umstritten, nicht zuletzt zwischen den Anwohnern vor Ort. Auch aus diesem Grund fand diese in die Radnetzplanung der Verbände für TK keinen Eingang, wenngleich eine attraktive Route über die Triglawbrücke zum S Wilhelmshagen bereits jetzt leicht einzurichten wäre.

Stattdessen präferieren wir durchgehende Verbindungen zwischen Müggelheim und Erkner, Friedrichshagen und Grünau (über Wendenschloß). Diese würden auch zwei Brückenbauten notwendig machen, hätten aber deutlich kürzere, attraktivere Wegstrecken für den Radverkehr gegenüber dem Autoverkehr zur Folge. Besonders die Vorrangrouten Erkner – Müggelheim – Grünau und entlang der S3 haben durch die Ansiedelung von Tesla in Grünheide nochmals deutlich an Relevanz gewonnen.

Die SPD Fraktion brachte auch den Antrag „Bölschestraße sicher queren“ ein. Querungshilfen für den Fußverkehr (und den schiebenden Radverkehr) sind elementar und werden aus gutem Grund zunehmend im Bezirk umgesetzt.

Aus dem Sachstandsbericht zur Ertüchtigung des Woltersdorfer Weges für den Fahrradverkehr (inkl. Hegemeister Weg zwischen Rahnsdorf und dem S Rahnsdorf) geht vor allem hervor, dass es gemäß Bezirksamt bisher an der für die naturschutzrechtlichen Untersuchungen notwendigen Finanzierungszusage durch die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz mangelt. Es kann sich also nur noch um Jahre handeln, bis hier auch nur die Planungen abgeschlossen werden können.

Interessant ist auch ein Sachstandsbericht vom Juni 2020 zum Antrag (aus 2017) von Linken und Grünen für Sicherheit für Radfahrende auf der Fürstenwalder Allee. Der Sachstandsbericht lehnt die damals geforderten benutzungspflichtigen Radwege neben der Fürstenwalder ab, da diese gemäß Mobilitätsgesetz nicht den Regelmaßen für Radverkehrsanlagen entsprechen könnten – „mangels zur Verfügung stehenden öffentlichen Straßenlandes“. Und diese Ablehnung ist auch gut so.

Der ADFC lehnt benutzungspflichtige Radwege grundsätzlich ab und fordert, dass Radfahrer immer die Wahlmöglichkeit haben (Verkehrspolitisches Programm, S. 20). „Gute Rad-verkehrsanlagen brauchen keine Benutzungspflicht. Wir fordern deshalb die Abschaffung der Radwegbenutzungspflicht.“

Dies entspricht auch den realen Entwicklungen des Radverkehrs hin zu größeren, schnelleren Fahrzeugen und einer auch zahlenmäßigen deutlichen Zunahme. Dies führt auch zu zunehmenden Konflikten mit dem Fußverkehr, bis hin zu seltenen, aber im schlimmsten Fall tödlichen Unfällen. Diese Konflikte werden durch eigentlich rechtlich unzulässige, untermaßige benutzungspflichtige Radwege in Gehwegnähe – wie in Mahlsdorf – deutlich verschärft.

Gleichzeitig brauchen langsame und unsichere Radfahrer geschützte Räume, in denen sie ohne Angst vor dem Autoverkehr mobil sein können. Gleiches gilt für die Nutzung von Fahrrädern zum Personentransport – sei es von Kindern oder (in der StVO seit 2020 explizit erlaubt) Erwachsenen. Gut ausgebaute, geschützte und räumlich vom Autoverkehr getrennte Radverbindungen ohne Benutzungspflicht und mit der Option, im Mischverkehr zu fahren, sind vielleicht am Besten in der Lage, die sehr diversen Mobilitätsbedürfnisse der Radfahrenden zu befriedigen.

Verkehrsregelung

Von herausgehobener Bedeutung ist der Antrag der Grünen Fraktion zu einem Durchfahrtverbot für Lkw in Oberschöneweide. Der LKW-Verkehr verursacht auch in TK in erschreckender Regelmäßigkeit tödliche Unfälle mit Fußgängern und Radfahrenden, zuletzt in Johannisthal. Den Durchgangsverkehr mit schweren Kraftfahrzeugen aus den Quartieren herauszuhalten ist ein wichtiger Baustein in der Verhinderung von tödlichen Unfällen.

Gefährdungen durch LKW-Fahrer, im Besonderen durch den zunehmenden Lieferverkehr, entstehen auch durch das verbotswidrige Parken auf Radverkehrsanlagen. Ein erster Lichtblick zur Vermeidung dieser auch in der Seelenbinderstraße in Köpenick häufig beobachtbaren Ordnungswidrigkeiten ist der Antrag von SPD und Grünen Ladezonen in der Seelenbinderstraße einrichten. Die Idee hierfür entstand auf unsere Anregung hin während einer Radtour mit der SPD im Juni.

Die regelmäßige Einrichtung und Kontrolle von hinreichend großen Ladezonen für den Wirtschaftsverkehr, seien es Lieferdienste, Stückgutlogistiker oder Handwerker, ermöglicht diesen, sich auch bei hohem Parkdruck regelkonform zu verhalten. Viele Unfälle und Beinaheunfälle können so verhindert werden. Dies ist auch eine Forderung des Arbeitskreises Wirtschaftsverkehr des ADFC Berlin.

Es fragt sich nur: Warum nur in einem kleinen Teil der Seelenbinderstraße? Und warum nur Montag bis Freitag? Auch Samstag wird geliefert und auch in allen anderen Straßen ohne hinreichende Lieferzonen wird in illegal gehalten und geparkt – meist zu Lasten von Fuß- und Radverkehr. Und dies gilt auch für den privaten Verkehr.

Eine deutliche Reduzierung des KFZ-Verkehrs insgesamt, eine Parkraumbewirtschaftung statt bisher hochsubventionierten Parkplätzen auch in TK und die Freihaltung von z. B. jedem 19. und 20. Parkplatz für den Wirtschaftsverkehr und deutlich mehr Kurzzeitparkplätze auch außerhalb der Geschäftsstraßen sind Mittel und Wege, nicht nur Fuß- und Radverkehr attraktiver und sicherer zu machen.

Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die zunehmende Nutzung von Leichtfahrzeugen und E-Lastenrädern in Kombination mit Mikrodepots auf der letzten Meile. Auch diese deutlich verträglicheren Lieferverkehre brauchen Raum und dürfen auf keinen Fall zu Lasten von Fuß- und Radverkehr gehen.

Sonstiges

Eine Investition in die Zukunft nicht nur des Breitensports und der regionalen Jugendkultur wäre sicherlich eine Tragluftsporthalle für den Mellowpark, wie sie SPD und Grüne angeregt haben. Ebenso ist der Antrag von SPD, Linken und Grünen, Tausch- und Sperrmüllmärkte in Treptow-Köpenick zu ermöglichen auch aus der Perspektive von Postwachstumsökonomie und eines möglichst langen Lebens auch von Fahrrädern sehr zu begrüßen.

Und nicht zuletzt wird mit dem Antrag der Grünen „Kommunalen Klimaschutz voranbringen – Pilotprojekt zu neuen Mobilitätsmodellen“ das wichtige Thema des Ausprobieren-Könnens von bisher nicht in den jeweils individuellen Routinen verfestigten Mobilitätsformen eingebracht. Aber: Nicht jedes neue Mobilitätsangebot ist auch sozial und ökologisch nachhaltig. Während Ridesharingangebote a la Uber schnell mit einer Vervielfachung des motorisierten Verkehrsaufkommens (und der entstehenden Schäden an Mensch, Natur und Steuerzahler) gegenüber dem eigenen Auto einher gehen können, bedeuten Angebote wie das der fLotte Berlin mit jedem gefahrenen Kilometer stattdessen einen Gewinn für Alle.

Zumindest, sofern Freien Lastenräder nicht mal wieder in vorschriftswidrigen und generell problematischen Drängelgittern oder anderen Schikanen wie beispielsweise Schlagbäumen vor Waldwegen feststecken, wie man sie auch in TK immer mal wieder antrifft:

Barriere für Alle: Unnötiges und deutlich zu enges Drängelgitter auf einem bei Fußgängern und Radfahrern beliebten Uferweg am Müggelsee (Birkenstraße, vor dem Gebäude der ‚Berliner Kanubären‘). – cc-by-sa-4.0; Stg-TK des adfc-berlin

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